In der Corona-Krise haben öffentlich bestellte, vereidigte Versteigerer einen Innovationssprung in Richtung Digitalisierung vollzogen.
In vielen Bundesländern war oder ist derzeit die Präsenz-Versteigerung für öffentlich bestellte Versteigerer aufgrund der Sars-Cov19-Regeln nicht möglich. Weil eine öffentliche Versteigerung einer unbegrenzten Anzahl an Bietinteressenten zugänglich sein muss und deshalb auch Ungeimpften der Zugang nicht verwehrt werden darf, ist eine Pfandrechtsverwertung nur als Online-Live-Versteigerung realisierbar. Die Voraussetzungen hierfür mussten von öffentlich bestellten, vereidigten Versteigerern innerhalb kürzester Zeit organisatorisch und technisch bewältigt werden. Eine öffentliche Versteigerung aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Pfandrechte beziehungsweise Sicherungsübereignung berechtigt grundsätzlich alle geschäftsfähigen Personen zur Teilnahme. Das bedeutet, dass der Kreis der Teilnehmer potentiell unbegrenzt ist. Von Gesetz wegen können also auch Ungeimpfte oder durch Corona Infizierte nicht ausgeschlossen werden. Diese Personengruppen dürfen aber aufgrund der Sars-Cov19-Regeln, sofern die 2G-Regel bei Veranstaltungen vorgeschrieben ist, nicht an einer Präsenzversteigerung vor Ort teilnehmen. Um aber niemanden auszuschließen, nehmen öffentlich bestellte, vereidigte Versteigerer Gebote entweder schriftlich, telefonisch oder durch Online-Live-Bieten über einen Live-Stream entgegen.
Online-Live-Bieten ist nicht mit so genannten “Versteigerungsplattformen” wie Ebay zu vergleichen. Diese Plattformen sind keine Versteigerungen im Sinne des Gesetzes. Der Gesetzgeber begründet diese Rechtsauffassung dadurch, dass bei Ebay und anderen Anbietern von Ebay-ähnlichen Versteigerungsvorgängen der Zuschlag durch einen zeitabhängigen Algorithmus erteilt wird. Deshalb sind solche als Versteigerungen bezeichnete Vorgänge lediglich Verkäufe auf Verkaufsplattformen. Beim Onlive-Live-Bieten hingegen wird vom Versteigerer persönlich solange ein Lot (Position) aufgerufen, bis keine höheren Gebote eingehen. Erst dann wird persönlich in Echtzeit der Zuschlag erteilt.
Die Herausforderung bei der Einrichtung digitaler Prozesse zum Live-Bieten besteht darin, dass eine aufwendige Online-Plattform mit Gebotsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen einzurichten ist. Die Übertragung der Versteigerung über einen Live-Stream muss sowohl konform mit der DSGVO geschehen, als auch in kürztester Latenzzeit, also nicht mehr als 1 — 2 Sekunden Übertragungsspanne. Viele populäre Streaming-Anbieter haben eine Latenzzeit von 20 bis 30 Sekunden, weshalb nur Live-Stream-Anbieter infrage kommen, die u.a. für große TV-Sender arbeiten und quasi keine Latenzzeit im Live-Stream ermöglichen. Nicht nur die Infrastruktur online, sondern auch offline stellte die gesetzeskonforme Online-Live-Versteigerung eine beachtliche Herausforderung für öffentlich bestellte Versteigerer dar. Die notwendige Digitalisierung dieser Prozesse war in der Corona-Zeit von Versteigerern in Rekordgeschwindigkeit bewältigt worden. Damit wurde eine Chance für die Zukunft der Versteigerertätigkeit geschaffen. In Ergänzung zur Präsenzversteigerung können künftig auch Online-Live-Gebote für eine größere Interessentenanzahl, auch im Ausland, ermöglicht und somit der Bieterkreis erheblich erweitert werden. Das sorgt für potentiell höhere Versteigerungsergebnisse, die Gläubigern wie Schuldnern gleichermaßen zugute kommen.